And Now The Good News

Der Titel der Schau zu den vielseitigen Interaktionen zwischen Printmedien und Kunst mag vorerst erstaunen, schlagen doch im Journalismus eher die schlechten Nachrichten zu Buche, während das - vermeintlich - positive Denken vor allem in der Werbung zu finden ist. Oder besteht die gute Nachricht in der Demokratisierung der Kunst, dem Ausbruch aus dem elitären White Cube und in der Infiltration künstlerischer Strategien in den Massenme­dien?

Für Letzteres sprechen die wöchentlichen Interventionen im ‹Corriere del Ticino›, u.a. von Alberto Garutti, Alfredo Jaar oder Daniele Buetti. Thomas Hirschhorn hat eine Beilage des ‹Corriere della Sera› gestaltet mit einer Serie von 14 ‹Collage-Truths›, in denen er Fotografien aus der italienischen Tageszeitung mit Abbildungen mutilierter Körper verschmilzt. Die Aktion soll verhindern, dass wir unseren Blick abwenden, und uns direkt mit der brutalen Realität konfrontieren.
Die Auswahl von dreihundert Arbeiten aus der Pressart-Sammlung von Anette und Peter Nobel demonstriert, wie stark sich die Kunstschaffenden der Beeinflussung unseres Weltbildes durch die Medien bewusst sind und sich konzeptuell und formal vielfältig damit auseinandersetzen. Die Raumgestaltung nimmt die Struktur der Zeitungsspalten auf und die Werke folgen einem chronologischen Zeitraster von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Eine Reihe Daguerreotypien von Zeitungslesern führt in das Thema ein. In den Montagen der Kubisten und Konstruktivisten sind die Zeitungsseiten direkt in das Bild integriert, während sich Pop-Art-Künstler der Vervielfältigungsmechanismen und Werbeeffekte bedienen und die Decollagisten mit Subtraktion anstatt Addition operieren. Polke, Tapiès und De Kooning malen in grosser Freiheit auf die auf Leinwand aufgezogenen Zeitungsseiten. In der Gegenwart nimmt eine kritische Haltung überhand: So komponiert Juan Fontcuberta sein Bild der Soldatin aus Abu Ghraib, die ihren Gefangenen demütigend an der Leine führt, als Mosaik aus Hunderten von kleinen Fotografien, und Alfredo Jaar reproduziert alle 17 ‹Newsweek›-Cover, die während des Genozids in Ruanda veröffentlicht wurden, und unterstreicht, dass lediglich das letzte Titelblatt sich der Tragödie annimmt. Die letzte Sektion ist konsequenterweise der Vergänglichkeit gewidmet: On Kawaras Datumsbild hängt gleich neben Roman Signers Installation ‹Lesezimmer›, in der ein Ventilator durch Luftdruck jeden Tag eine neue Zeitungsseite des aktuellen Tages an jene Fensterscheibe drückt, die den Blick auf den Luganersee und die Alpen freigibt.



2016

LAC Lugano


Published in
Kunstbulletin 7-8/2016


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