Zeitlose Klassik, Carl Burckhardt (1878–1923) zwischen Basel, Rom und Ligornetto
Mit einer breit angelegten Retrospektive stellt das Museo Vincenzo Vela in Mendrisio das Werk des Basler Malers und Bildhauers Carl Burckhardt vor und setzt hiermit die Präsentationsreihe wenig bekannter und beforschter Schweizer Künstler aus dem 19. und 20. Jahrhundert fort.
Die Ausstellung wird Ende Jahr in reduzierter Form im Basler Kunstmuseum zu sehen sein. Der 1878 in Lindau Kanton Zürich geborene Pfarrerssohn wuchs nach dem frühen Tod des Vaters mit der Mutter und seinen sieben Geschwistern in Basel auf. Nach der Matura bildete er sich in München zum Maler aus und wendete sich während einem längeren Italienaufenthalt schliesslich der Bildhauerei zu, denn er suchte das „Malerische“ durch das „Räumliche“ zu überwinden. Während aber seine kubistisch strukturierten Landschaftsaquarelle und seine symbolistisch angehauchten Ölbilder in kleineren oder grösseren Formaten einen hohen Differenziertheitsgrad in der Deklination der Farbklänge aufweisen, wirken seine ersten dreidimensionalen Figuren eher behäbig und schwerfällig und lassen die Beweglichkeit, die Leichtigkeit oder die Feinheit seiner Skizzen und Aquarelle vermissen. So wirken die beiden sich annähernden nackten männlichen Figuren in kaum erotisch, sondern eher steif und etwas spannungslos. Die Anfangsschwierigkeiten überwand Burckhardt sichtbar in den späteren Reliefs, beispielsweise in seinen quadratischen Metopen-Reliefs an der Fassade des Zürcher Kunsthauses, in welchen sich die dargestellten Amazonen weich um die Pferdekörper zu schmiegen scheinen. Im <Tänzer>, einer seiner letzten Figuren, welche in den Tessiner Jahren in Ligornetto entstand, befreit sich der Künstler scheinbar von der Erdanziehungskraft und vermag es, die Bronze mit schwereloser Leichtigkeit tänzeln zu lassen. Diese eindrückliche serpentinisch um die eigene Achse gedrehte, tänzelnde Figur ist allem Anschein nach von den auf ihre Substanz reduzierten und doch so lebendig wirkenden Körperdarstellungen Auguste Rodins inspiriert. Burckhardt zeichnete sich denn auch als Kunsttheoretiker mitverantwortlich für Rodins Ausstellung in der Kunsthalle Basel und als Museumskommissionsmitglied der Basler Skulpturhalle hat er den Ankauf von dessen Figur „L’homme qui marche“ mitinitiiert. Die sorgfältig recherchierte Ausstellung im Mendrisiotto erlaubt es, ein künstlerisches und intellektuelles Multitalent wieder zu entdecken, mit dessen Skulpturen und Reliefs wir im öffentlichen Raum Basels und Zürichs schon lange zusammenlebten, ohne uns dessen gewahr zu werden.