Casa Sciaredo

Ihre Geschichte liest sich wie die archetypische Darstellung der von inneren Widersprüchen geplagten Frauenschicksale in der Aufbruchszeit Anfang 20. Jahrhundert: hin- und hergerissen zwischen hochstehenden intellektuellen und künstlerischen Ansprüchen an sich selbst und einem vom sozialen und historischen Kontext havarierten Selbstbewusstsein.

Georgette Tentori-Klein (1893-1963), Tochter des Sulzer-Direktors Rudolf Klein, war eine rastlos Suchende, ein nie konkludierendes Multitalent. In stetiger Auseinandersetzung mit sich selber, lebte sie isoliert vom Rest der Welt immer am Rande des Existenzminimums. Das kreative Schaffen war der promovierten Germanistin Lebenselixier, so beschäftigte sie sich zeitlebens mit Textilkunst, Marionettenproduktion, Holzbildhauerei, Gartengestaltung, Geigenspiel und kommentierte jeden Tag obsessiv in insgesamt 101 Tagebüchern. Von ihrem Schaffen ist Vieles verschollen. Ihr Hauptwerk indes, die von ihr projektierte und ihrem Mann Luigi Tentori gebaute „Casa Sciaredo“ in Barbengo (Lugano) – früher Zeuge modernen Bauens im Tessin – ist heute im Besitz des Kantons Zürich und wurde 1999 und 2016 sanft renoviert. Georgettes letzter Wille, das Atelierhaus jungen KünstlerInnen unentgeltlich und mit finanzieller Unterstützung zur Verfügung zu stellen, wird erstmals 2018 durch den neugegründeten Verein „Amici di Sciaredo“ für eine Stipendiatin in Erfüllung gehen. Ansonsten kann das idyllische Bauhaus-Bijoux von Kulturschaffenden zu Marktpreisen gemietet werden.

„Georgette Tentori-Klein, una vita da solista, ein Leben als Solistin“, AARDT Associazione Archivi Riuniti delle Donne Ticino, Elster Verlag, 2014