Cesare Viel, Più nessuno da nessuna parte

Schreiben über eine Ausstellung, die es nicht gibt. Noch nicht gibt. Dazu eine Ausstellung, welche sich auf existentielle, auch schmerzende Art mit Verlust, Abwesenheit, Leere und Erinnerung beschäftigt, aber auch mit Gender Identität, Liebe und Literatur.

Die Schreibmethode soll diesem Tatbestand nicht nur Rechnung tragen, sondern diesen sozusagen reproduzieren. Wenn es die Ausstellung im Raum noch nicht gibt, so existiert sie im Kopf des Künstlers. Entgegen einer traditionellen (Künstler)-Meinung, ein Kunstwerk dürfe einzig durch ihre Materie sprechen, rufe ich Cesare Viel, den Konzept- und Wortkünstler, an und frage ihn, ob er mir am Telefon die Ausstellung mit Worten beschreibt. So beginnen wir unseren virtuellen Ausstellungsrundgang im Dialog. Cesare Viel erzählt: „im 1. Saal werden die Besuchenden auf einen gigantischen Heuball in einem hellblauen Raum stossen, auf dem ich konzentriert und entspannt – – liegen werde. In einem Audio werden sie meiner Erzählung folgen, wie ich als Kind die Welt vom Heuballen herab betrachten wollte und mir dies mein Grossvater im Veneto versagt hatte. Im 2. Raum inspiriere ich mich bei den Formen von Matisse welche ich in Grossformaten aus Filz ausgeschnitten im Raum immer wieder neu positionieren werde. Im 3. Raum angelangt werde ich in einem Holzgehege aus Tarot-Karten lesen und diese kommentieren. , im 4. Raum wird die Zuschauer*innen mit der annähernd mystischen Wiederbegegnung mit dem Geist meiner toten Mutter konfrontieren. Der 5. Raum ist Gertrude Stein gewidmet: auf einem der drei grossen Steinbrocken aus Albegna wird das Buch liegen und im Audio werde ich Auszüge daraus lesen. In der neuen Installation im offenen Teil des Museums werde ich in einer Performance Gegenstände meines verstorbenen Vaters aus der am Boden gestreuten Erde fischen und wieder symbolisch begraben. Ich beschreibe damit wortlos die in der Stille verharrende Beziehung zu meinem Vater. Zeichnungen, Foto- und Videodokumentationen von Aktionen und Performances werden die Retrospektive im oberen Stock abrunden. Während der Vernissage werde ich zusammen mit acht Performern alle Performances gleichzeitig in den verschiedenen Räumen ausführen.“ Ich bedanke mich bei Cesare Viel und bin gespannt, wie er seinen existentiellen Bewusstseinsfluss im PAC in ein intensives Hör- Denk- und Seherlebnis verwandeln wird.



13.10.-1.12.2019

PAC Padiglione d’Arte Contemporaneo Milano


Published in
Kunstbulletin 11/2019

Cesare Viel, Il giardino di mio padre, 2019, Performance im PAC Padiglione d'arte contemporanea, Milano, 12.10.2019
1 / 3

Cesare Viel, Il giardino di mio padre, 2019, Performance im PAC Padiglione d’arte contemporanea, Milano, 12.10.2019

Cesare Viel, Allivioni universali, 2010, Zeichnung auf Stoff, Courtesy der Künstler und Pinksummer, Genua
2 / 3

Cesare Viel, Allivioni universali, 2010, Zeichnung auf Stoff, Courtesy der Künstler und Pinksummer, Genua

Cesare Viel, Lost in Meditation, 1999-2016, Installation, Foto Francesco Lillo
3 / 3

Cesare Viel, Lost in Meditation, 1999-2016, Installation, Foto Francesco Lillo