Franco Grignani, polisensorialità fra arte, grafica e fotografia

Was an Franco Grignani’s überwältigender Produktion und ausufernden Aktivität am meisten erstaunt, ist das nahtlose ineinander übergehen und das grenzenlos verwoben sein der Disziplinen Fotografie, Malerei und Werbegrafik.

Seine formale und optische Grundlagenforschung in der Fotografie und Malerei bewegt sich vorerst absolut rein und völlig frei in Gefilden der experimentellen Abstraktion und der Untersuchung optischer Phänomene und fliesst erst in einer weiteren Phase fast unschuldig ein in die funktionsorientierte Welt der Werbung, dies ohne seinen gegenstandslosen Charakter preiszugeben. Bereits die gegenständlichen Schwarz-Weiss-Fotografien der dreissiger Jahre bestechen durch ihre klar durchdachten und geometrisch gestalteten Kompositionen sowie durch extreme Blickwinkel oder gepushte Licht-Schattenzeichnung und evozieren so die Arbeiten der russischen Konstruktivisten. Durch fototechnische Experimente, wie direkte Belichtung der Gegenstände im Fotogramm, Verzerrung durch Linsen, Abstraktion durch Strukturglas oder Spiele mit Unschärfe, hat Grignani ab den 50er Jahren die Fundamente der grafischen Kunst umgegraben. Die meist aus schwarz-weissen Linien bestehenden Strukturen entwickelt Fignani in seinen Ölbildern weiter zu Dissolvenzen, Verrenkungen, Verwandlungen, Progressionen, Spannungen und Vibrationen. Die Titel und die Raumorganisation der Bilder verraten die professionelle Herkunft Grignanis als Mathematiker und Architekt. Mit seiner Fähigkeit, die unterschiedlichen Themenstränge höchst differenziert weiter zu entwickeln, demonstriert er einen sehr langen Atem. In den siebziger Jahren lehnen sich die Streifenstrukturen immer stärker der wahrnehmungsfokussierten Optical Art an. Grignani amüsiert sich wie Escher mit real unmöglichen optischen Phänomenen der Raumwirkung. Das bekannteste Werk des italienischen Grafikers ist wohl das Logo für „Reine Schurwolle“: die einfachen, rund ineinandergreifenden schwarz-weiss Streifen drücken die Struktur und die Bewegung des Wollknäuels unmissverständlich aus. Grignanis Leistungsnachweis in der Grafik ist beeindruckend: er war Art Direktor des Hausorgans des Pharmaziekonzerns Dompé „Bellezza d’Italia“ sowie der Werbeagentur Alfieri & Lecroix. Mit seinen radikal innovativen Tafeln führt er in voller Freiheit und höchster Präzision die Experimente der russischen Konstruktivisten und der Dadaisten in der Grafik konsequent weiter und schafft ein spartenübergreifendes Werk höchster Spannung und Überraschung: reine Poesie nicht euklidischer Geometrie.



17.2.-15.9. 2019

Max Museo, Chiasso


Published in
Kunstbulletin 7-8/2019

Franco Grignani, Diacronica 2T, 1965, Collezione Lorenzelli Arte © Archivio Lorenzelli Arte, Milano
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Franco Grignani, Diacronica 2T, 1965, Collezione Lorenzelli Arte © Archivio Lorenzelli Arte, Milano

Franco Grignani, Werbung für Alfieri & Lacroix, 1969, Archiv AIAP
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Franco Grignani, Werbung für Alfieri & Lacroix, 1969, Archiv AIAP

Franco Grignani, Titelseite des Magazins “Bellezze d’Italia”, Hausorgan von Dompè Pharmazeutik, 1953, Archiv Manuela Grignani Sirtoli © Matteo Zarbo
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Franco Grignani, Titelseite des Magazins “Bellezze d’Italia”, Hausorgan von Dompè Pharmazeutik, 1953, Archiv Manuela Grignani Sirtoli © Matteo Zarbo

Franco Grignani (1908-1999), Projekt für das Logo Reine Schurwolle, 1963, Archivio privato © Matteo Zarbo
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Franco Grignani (1908-1999), Projekt für das Logo Reine Schurwolle, 1963, Archivio privato © Matteo Zarbo