Hans und Marguerite Arp im Ronco dei Fiori

Durch die konsequente Unterstützung seiner zweiten Frau, Marguerite Hagenbach, schaffte es Hans Arp, sich nach dem schrecklichen Unfalltod seiner Künstlerpartnerin Sophie Täuber-Arp 1943 im Haus von Max Bill, langsam, aber stetig wieder aufzurappeln.

Eine sorgfältig konzipierte Ausstellung der Fondazione Marguerite Arp in Locarno, rückt derzeit die letzten Lebensjahre von Hans Arp – 1960-66 – und die fundamentale Rolle von Marguerite Hagenbach in dieser fruchtbaren Schaffensperiode der reifen Jahre in den Fokus.
Nach ihrer Hochzeit 1959 erstand das Ehepaar Arp das Anwesen «Ronco dei Fiori» in Locarno, in dem der über 70-jährige zu neuer Kraft fand und auf differenzierte Art neue Serien in Varianten schuf, sowohl in zwei- wie in dreidimensionalen Werken. Marguerite kümmerte sich derweil um das Administrative und managte den öffentlichen Auftritt und die Organisation von Arps Werk. Ihre Briefe sind typografische Kunstwerke, vertippt hat sich die Baslerin aus gutem Haus höchstens einmal pro A4 Seite. Indem sie ihm die bürokratischen Mühen abnahm und sich um den sozialen Austausch im kulturellen Milieu des «Locarnese» bemühte, konnte er alle seine Energien in das künstlerische Experimentieren investieren.
Entstanden sind Recherchen zu den für Arps Werk typischen organischen Formen, ihr Spiel zwischen voll und leer. Formen, in denen trotz ihrer Abstraktheit Figuren zu erahnen sind. Arp selber nannte sie «Poupées». Die Schau zeigt die gestalterische Vielfalt, mit der Arp sich amüsierte: von Bleistift-Strichzeichnungen über Linie und Fläche, zu Aquarellen, Decoupages, Collages, Reliefs, Glasobjekten und Skulpturen. Die Formen der einen Technik fliessen in die der anderen ein und entwickeln sich auf spielerische Art weiter. Es ist die Leichtigkeit, welche in diesen letzten Arbeiten überrascht und überwältigt. Die violette Poupée aus Muranoglas, mit ihren subtilen Farbverläufen ist deren Quintessenz. Die Leichtigkeit manifestiert sich hier in der Fragilität, während sie sich in den Bleistiftzeichnungen und den Decoupages vor allem in den geschwungenen Linien ausdrückt. Diese scheinen schon immer da gewesen zu sein. So natürlich bewegen sie sich. Im verwunschenen Garten der Arps rankt eine jahrzehntealte Blauregenpflanze. Deren Samen erinnern auf erstaunliche Weise Arps Poupées und ihre harmonischen Kurven. Die Fotografie von Henry Cartier-Bresson bringt das Verhältnis der Eheleute Arp präzis auf den Punkt: Marguerite verschwindet zwar in ihrer Unschärfe fast hinter dem ‹Waldrad I›, aber sie steht fest verankert und gibt unerschütterliche Rückendeckung. Wer wünschte sich nicht eine Marguerite hinter sich zu haben…



25.4.-31.10.2021
Drawing, Sculpture
Locarno


Published in
Kunstbulletin 20/2021

Hans und Marguerite Arp im Ronco dei Fiori, Ausstellungsansicht, Fondazione Marguerite Arp, Locarno. Foto: Roberto Pellegrini, Bellinzona
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Hans und Marguerite Arp im Ronco dei Fiori, Ausstellungsansicht, Fondazione Marguerite Arp, Locarno. Foto: Roberto Pellegrini, Bellinzona

Hans Arp, Constellation “Ronco dei Fiori”, 1961, Öl auf Papier, 110 x 79 cm. Fondazione Marguerite Arp, Locarno. Foto: Atelier ACR, Granges-Paccot
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Hans Arp, Constellation “Ronco dei Fiori”, 1961, Öl auf Papier, 110 x 79 cm. Fondazione Marguerite Arp, Locarno. Foto: Atelier ACR, Granges-Paccot

Marguerite und Hans Arp vor ihrem Atelierhaus “Ronco dei Fiori”, Locarno. 1965. Fondazione Marguerite Arp, Locarno. Foto: Liliana Holländer
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Marguerite und Hans Arp vor ihrem Atelierhaus “Ronco dei Fiori”, Locarno. 1965. Fondazione Marguerite Arp, Locarno. Foto: Liliana Holländer