J. J. Winckelmann, I monumenti antichi inediti
In ihrer Reihe zur historischen Grafik widmet sich das Max-Museum in Chiasso für einmal nicht einem Künstler, sondern dem eigentlichen Begründer der modernen Kunstgeschichte Johann Joachim Winckelmann…
Von den ursprünglich geplanten vier Bänden der ‹monumenti antichi inediti› (“unpublizierten antiken Monumente”), erschienen nur die ersten zwei: die wissenschaftliche Untersuchung wurde abrupt unterbrochen durch den gewaltsamen Tod des Autors. Vom dritten Volumen ist der Nachwelt lediglich das Manuskript überliefert, welches nun zum ersten Mal gemeinsam mit den 208 Radierungen aus der Erstausgabe von 1767 öffentlich ausgestellt wird. Das Projekt Winckelmanns folgte dem aufklärerischen Geist seiner Zeit, die menschliche Erkenntnis und Kultur systematisch aufzuarbeiten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wie das Monumentalwerk der französischen Enzyklopädisten oder die ersten europäischen Museen. Obwohl Winckelmann ein Mann der Worte war und seine vorgängige „Geschichte der Kunst des Alterthums“ – inspiriert von Plinius und Vasari ¬– mehrheitlich aus Texten bestand und nur wenige Darstellungen enthielt, verlagerte sich im „Monumenti“-Projekt sein Zugang zur Antike von jener des Theoretikers zu einer sinnlich-erotischen Rezeption. So stellten für ihn die griechischen Statuen das absolute (männliche) Schönheitsideal dar und Griechenlands Demokratie und Freiheit die Voraussetzung zur Entstehung von Kunst überhaupt. Winckelmann wählte eine Reihe von griechischen Monumenten aus (mehrheitlich aus der Sammlung seines Mäzens Kardinal Albani) und liess diese von nicht namentlich bekannten Künstlern und Radierern zeichnerisch dokumentieren. Entstanden ist 70 Jahre vor der ersten Daguerrotypie ein Bilderkorpus von einem hohen Präzisionsgrad und einer erstaunlichen Vielseitigkeit. Obwohl Winckelmann eine „objektive“ Darstellung anstrebte, um dem Projekt eine rationale und wissenschaftliche Basis zu verleihen, ist jede Radierung anders im Duktus, in der Strichdichte oder der Schraffurtechnik. Jeder Blick, jedes Wort und jedes Bild ist eine Interpretation von vielen Möglichen. Winckelmann’s illuministisches Sammel- und Kategorisierungsfieber hat eine regelrechte Modewelle ausgelöst: den Klassizismus, das erneute Interesse an der antiken Kunst, die „Grand Tour“, die Romreisen der Intellektuellen und die „Papiermuseen“, eine lange Reihe illustrierter Antikensammlungen. Zur garantierten Bereicherung der Öffentlichkeit wurden die „unveröffentlichen antiken Monumente“ nun endlich veröffentlicht.