Louise Nevelson, Assembling Thoughts
Ich kann mich noch gut erinnern, als ich anfangs 80er Jahre dem Werk von Louise Nevelson das erste Mal begegnet bin: Die Faszination war enorm. Diese starke Frau mit kurzem Haar schafft ein konsequent durchdekliniertes Werk monumentaler Skulpturen, abstrakter Kompositionen in minimalen Rastern, in denen die Sensibilität, das Organische und Intuitive ihren Platz verteidigt.
Nach ihrem europäischen Comeback diesen Sommer an der Biennale von Venedig, zeigt das Museo Comunale d’Arte Moderna in Ascona nun in einer anthologischen Ausstellung Werke von den 30er bis zu den 80er Jahren. Ein spezieller Fokus wird auf ihre Collagen gelegt, die sie zu Lebzeiten nie ausgestellt hat, welche aber eine grundlegende, experimentelle Basis ihrer Werke darstellen. In den Collagen aus Papier- und Kartonelementen hat Louise Nevelson Kompositionen und Farbkombinationen ausprobiert und den Grundstein für ihre dreidimensionalen Combine-Skulpturen gelegt. Die Collagen praktizierte sie ständig und parallel zu ihrem bildhauerischen Werk. Wie in jenem, bestehen auch die Papierarbeiten aus gefundenen Materialien, „objets trouvés“, welche sie arrangiert und im Raum zueinander in Beziehung setzt, einerseits zwei- und andererseits dreidimensional. Der kubistische Einfluss ist unleugbar, aber Nevelson geht weiter. Die ukrainisch-amerikanische Künstlerin gibt dem Prinzip der Collage eine psychologische Note: Sie trägt Fragmente und Bruchstücken aus ihrer Wahrnehmung und Erfahrung zusammen und verschmilzt sie zu einer neuen Einheit. Eine existentielle Suche nach der eigenen Identität durch Sammeln und Vereinen der zufällig gefundenen, aber bewusst gesehenen Versatzstücke. Das vereinende Element wird bei den Reliefs und Skulpturen noch intensiviert, indem die Künstlerin ihre zusammenmontierten Ready-Made-Holzstücke monochrom bemalt: schwarz, weiss oder golden. Spannend, wie die Wahrnehmung sich verändert und doch bei allen das Licht-Schattenspiel und somit die dreidimensionale Wirkung stärker hervortreten, weil die chromatischen Unterschiede verschwinden. Die schwarzen wirken feierlich, die weissen leicht und die goldenen barock. Louise Nevelson besetzt einen unbestrittenen Platz in der Kunstgeschichte, Vorreiterin eines weiblichen Selbstverständnisses und Self-Empowerment. Ihre Ausstellung ist die erste einer Serie: Mara Folini, die Direktorin des von Marianne von Werefkin gegründeten Museo Comunale d’Arte Moderna in Ascona, wird die nächsten zwei Jahre exklusiv Frauenpositionen widmen.