2050 Breve storia del futuro

Das Thema ist mutig und freut melancholisch-pessimistisch angehauchte Zeitgenoss/innen. Endlich wagt es jemand, nach den historischen Utopien und dem Niedergang aller idealistischen Ideologien des 20. Jahrhunderts die Frage zu stellen: Ist uns die Zukunft abhandengekommen?
Ausgehend vom Buch ‹Die Welt von Morgen, eine kleine Geschichte der Zukunft› des Ökonomen Jacques Attali, wagen sich die Musées Royaux des Beaux Arts Bruxelles mit dem Palazzo Reale in Mailand an das heisse Eisen. Doch das Schicksal hat es so gewollt: Am 22. März, dem Tag der Eröffnung der Mailänder Ausstellung werden der belgische Kurator Desaive und der Direktor Draguet in die Selbstmordattentate in der Abflughalle des Brüsseler Flughafens involviert. So wird das Zukunftsprojekt, welches von der Vergangenheit ausgehend über die Konflikte und Widersprüche hinaus denkend einen Weg in eine gewaltfreie Zukunft weisen möchte, von der dunkelsten Vergangenheit eingeholt. «Il faut jouer le match! Wir lassen uns nicht die Zukunft nehmen, geben wir den Terroristen so wenig Medienraum wie möglich!», meint Attali an der Pressekonferenz, und die Brüsseler texten unter Schock: «Tout doit continuer!»
Die Ausstellung mit Arbeiten von 46 internationalen Künstler/innen zeichnet einige Grundthemen von Attalis Zukunftsvisionen frei nach. Ein dantischer Leidensweg mit acht Stationen ist entstanden, in dem sich die Betrachter/innen vorerst durch den verhalten dargestellten Status quo unseres kränkelnden Planeten kämpfen müssen. Aus einer aus dem Lot geratenen Welt, voller religiöser Konflikte, sozialer Gegensätze, Ausbeutung und Zerstörung soll schliesslich eine neue Welt der «Hyperdemokratie» auferstehen, in der Harmonie, soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit herrschen.
Doch die Umsetzung im Raum ist ernüchternd. Die Ausstellungsarchitektur ist aseptisch weiss und die Arbeiten wirken kühl, zurückhaltend und sehr ästhetisch. Wir bleiben unüberwindbar im Hier und Jetzt gefangen. Der Aufruf, von der passiven Zuschauerrolle in eine aktive Macherrolle zu gelangen, verhallt wirkungslos im White Cube mit der lose gestreuten Objektkunst. Eine zukunftsweisende, partizipative und interaktive Kunst hat den Palazzo Reale noch nicht erreicht. Die Netzkunst hängt wie ein Relikt auf Papier gedruckt an der Wand. Die Zukunft bleibt, wo sie war: weit entfernt, unfassbar und schwer vorstellbar.

2016

Palazzo Reale Milano


Published in
Kunstbulletin 5/2016


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Mark Titchner, Let the Future Tell the Truth. Another, World Is Possible, 2015 (Courtesy Vilma Gold); Bodys Isek Kingelez, Kimbembele Ihunga, 1994 (Foto: Barbara Fässler)
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Mark Titchner, Let the Future Tell the Truth. Another, World Is Possible, 2015 (Courtesy Vilma Gold); Bodys Isek Kingelez, Kimbembele Ihunga, 1994 (Foto: Barbara Fässler)

Mona Hatoum, Shift, 2012 (Courtesy of the Artist and White Cube) (Foto: Barbara Fässler)
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Mona Hatoum, Shift, 2012 (Courtesy of the Artist and White Cube) (Foto: Barbara Fässler)

John Isaacs, The Architecture of Empathy, 2014 (Courtesy of the Artist and Galleria Massimo Minini) (Foto: Barbara Fässler)
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Panos Kokkinias, Yiorgis, 2011 (Courtesy Xippas Galleries iny PKO 0116); Gavin Turk, Nomad, 2003 (Courtesy Ella Acdan & Darya Collection) (Foto: Barbara Fässler)
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Panos Kokkinias, Yiorgis, 2011 (Courtesy Xippas Galleries iny PKO 0116); Gavin Turk, Nomad, 2003 (Courtesy Ella Acdan & Darya Collection) (Foto: Barbara Fässler)

Exhibition View (Foto: Barbara Fässler)
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