Sander-Somoroff
Die Problematik ist so alt wie die Fotografie selbst: Das technische Abbild birgt ein Paradox in sich, denn das abgelichtete Subjekt ist gleichzeitig anwesend und abwesend oder besser, indem die Fotografie die Anwesenheit eines Objektes auf einem Stück Papier vorgaukelt, untermalt sie gerade seine Abwesenheit.
Wenn der Amerikaner Michael Somoroff an den Bildern der weltberühmten Mappen ‹Menschen des 20. Jahrhunderts› von August Sander mit dem Photoshopstempel Hand anlegt, dann wird die ‹Abwesenheit des Subjekts› doppelt akut. Nach der in den Zwanzigerjahren in der Weimarer Republik abgebildeten Person in Fleisch und Blut ist nun auch deren Abbild von der Bildoberfläche verschwunden. An seiner statt hat Somoroff in mühseliger Kleinstarbeit den Hintergrund ergänzt. Dort, wo uns die haarscharfen Figuren von Sander ansahen - nicht als Individuen, sondern durch die Kategorie in der Bildlegende ihren gesellschaftlichen Typus repräsentierend -, verlieren wir uns nun in einem grau-schwarzen Raum, der uns einzig die künstlich ergänzten Gegenstände zu sehen gibt. Realität ist immer Konstruktion und Verdrängen ist zwecklos: Die Gewissheit des Verlustes setzt Somoroff in seiner postmodernen “Vanitas” ins Bild.
Barbara Fässler