Koloniale Bilder zurückgespiegelt

Die Gewinnerin des diesjährigen Bally Artist Award, die franco-kongolesische Künstlerin Monika Emmanuelle Kazi, stellt durch ihre Rauminszenierungen Bilder und Narrative der kolonialen Vergangenheit infrage und nimmt uns durch ihre spiegelnden Silbernitratmalereien auf Gläsern und Scheiben in die Verantwortung.

Wie manifestiert sich der Kolonialismus in den Alltagsgegenständen der ehemaligen Kolonien? Welche immer wiederkehrenden Bilder, Narrative und Archive beherrschen das kollektive Bewusstsein der früher fremddominierten Kulturen und ihrer Angehörigen? Wie drückt sich die koloniale Macht aus in der Innenarchitektur und ihrer Ästhetik? Wie kann der eurozentrische und koloniale Blick in der Kunst sichtbar gemacht werden? Um solche Fragen kreisen die Installationen, Videos und Tonarbeiten von Monika Emmanuelle Kazi (*1991), diesjährige Gewinnerin des Bally Artist Award. Das MASI Lugano zeigt aus diesem Anlass im Palazzo Reali mehrere ihrer Installationen unter dem Titel “Mimesis of Domesticity”.
Auf den ersten Blick erscheint die Sala Mattoni eher spärlich bespielt, fast etwas leer. Ein antiker Holztisch, ein Regal bestückt mit Gläsern und Glasschüsseln und eine an die Wand gelehnte Vitrinentüre befinden sich im Raum. Eine Lampe hängt von der Decke. An zwei Stellen ist auf dem schwarzen Klinkenboden eine weisse Flüssigkeit ausgeleert. In einer Ecke hängt eine Soundbar. Auf den zweiten, vertieften Blick entpuppen sich die spiegelartig wirkenden, gläsernen Oberflächen der verschiedenen Objekte als Malereien aus flüssigem Silbernitrat. Scherenschnittartige, silbern gemalte und durchscheinend ausgelassene Partien lassen Darstellungen von Körpern, Figuren, Landschaften oder Gebäuden erahnen. Die Bilder bleiben mehrdeutig und vor allem auf den westlich traditionellen Glasschüsseln und Gläsern schwer lesbar. Doch die Betrachtenden, also wir, spiegeln uns in diesen Silbernitratmalereien. Unser Blick, der euro-zentrische Kolonialblick, wird durch die Spiegelung auf uns selbst zurückgeworfen, wir werden durch die Installation der franco-kongolesischen Künstlerin auf unser koloniales Erbe verwiesen und somit in die Verantwortung genommen. Und die Welt scheint aus dem Lot: Die Lampe, welche uns erleuchten könnte, befindet sich am Boden anstatt an der Decke. Das unbefleckte Tischtuch, auf dem sich die bemalten Gläser und Schüsseln befinden, ist halb auf den Boden gerutscht. Das mit einem weissen Pulver vermischte Wasser ist ausgelaufen. Auf subtile Art präsentiert Monika Emmanuelle Kazi eine prekäre und fragile Realität in steter Veränderung: Instabilität als postkoloniales Erbe. Das Rad der Zeit kann nicht zurückgedreht werden, aber vielleicht können Transparenz und Dialog das Bewusstsein schärfen.



26.5.-11.8.2024
Installation
Masi LAC Lugano

Ausstellungsansicht, Mimesis of Domesticity, Monika Emmanuelle Kazi, Masi Lugano
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Ausstellungsansicht, Mimesis of Domesticity, Monika Emmanuelle Kazi, Masi Lugano

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