Pietro Roccasalva – Chi è che ride
Mit der Retrospektive des Mailänders Pietro Roccasalva widmet sich die Fondazione Olgiati, spezialisiert in italienischer Kunst des 20. Jahrhunderts und Teil des Masi Lugano, erstmals einem Gegenwartskünstler. Scheu kann die Annäherung genannt werden, da Roccasalvas Kunst rückwärtsgewandt tief in die Kiste der Kunst- und Kulturgeschichte greift.
Die post-postmodernen Werke sprühen nur so von Zitaten aus der Kinogeschichte (Pasolini, Tarkovsky), der bildenden Kunst (Ikonenmalerei, Duchamp, Morandi, Magritte, Bacon…) und der Architektur. In einem Spiel von Wiederaufnahme, Entwicklung und Verwandlung entstehen Serien von Malereien, in welchen visuelle Erinnerungen von Formen und Figuren aus der auf uns einstürzenden Bilderflut verdichtet vermalt werden. In den Stilleben – oder besser Nature morte – in denen die zitierten Gegenstände oft magrittianisch unproportioniert dargestellt werden, herrscht eine surreale, geheimnisvolle Stimmung der Ambiguität und Instabilität. Auch die Figuren, wie beispielsweise , deren Titel von Lucio Battisti ausgeliehen wurde, sind geschlechtlich ambivalent und uneindeutig. In der Serie – ein klares Zitat des grossen Glases von Duchamp, «Die Braut entkleidet von ihren Junggesellen, sogar» – sind die Braut mit dem Tennisschläger und der Bräutigam mit einem Speer im Boot sitzend stark räumlich getrennt. Nicht einmal ihre leeren Blicke kreuzen sich. Die Büsten der Serie nehmen die malträtierten Gesichter Francis Bacon’s wieder auf in einer für Roccasalva eher untypisch gestisch energetischen Pinselführung. Sogar die Farbpalette ist ein Zitat aus den futuristischen und den metaphysischen Bildern aus den 20er bis 30er Jahren des Ventennios: Braun-, Dunkelgrün-, Ocker- oder Bordeautöne dominieren und verbreiten eine eher düstere Stimmung. Von den Farben der zitierten Bilder aus dem Futurismus handelt auch die Serie aus dem Jahr 2016. Mit einer imaginären Pipette hat der Künstler die Farben aus den Bildern von Balla, Boccioni, Depero und Carrà extrahiert und danach für jedes Werk separat gemischt. Entstanden ist eine Reihe von monchromen Leinwänden in Braun-, Gün-, Grau-, und Violetttönen, in denen der Stoff mit echten Goldnägeln am Bilderrahmen fixiert wurde, welche fast barock anmuten. Roccasalva bewegt sich in einer sich selbst aufrollenden, rückwärtsgerichteten Spirale, in der er die aufgesaugten Bilderinnerungen verdichtet, wieder und wieder aufnimmt, schichtet und weiter verwandelt.