Post Zang Tumb Tuum. Art Live Politics: Italia 1918-1943

Kunst als Propaganda des Regimes, Architektur als Konstruktion des totalitären Staates, Ästhetik als Gestaltungsmittel des Mythos der Macht: erstaunlicherweise wagt Prada, eine private Institution der „Haute Couture“, die längst fällige und delikate Aufarbeitung eines der dunkelsten Kapitel der italienischen (Kunst)-Geschichte.

Die Bemerkung Benedetto Croces, der Faschismus sei lediglich eine Parenthese in der italienischen Geschichte, hält sich in Italien hartnäckig. Pünktlich zur Protestwahl schreierischer Populisten rekonstruiert und inszeniert Germano Celant chronologisch die Originalästhetik der Kunstausstellungen während dem Faschismus. Durch ein ausgeklügeltes Fotorendering-Display des New Yorker Studios 2x4, welches die historischen Fotografien der Ausstellungen während des „Ventennio“ als lebensgrosse Tapete aufzieht und die Originalkunstwerke an ihrer ursprünglichen Stelle einfügt, entsteht eine imposante, stark theatralische Inszenierung, welche die Kunstwerke als Teil ihres politischen und ideologischen Kontextes zu verstehen und zu vermitteln sucht. Das diffuse Schaudern, welches die Betrachter beim Durchschreiten der Säle ergreift, ausgelöst durch Karikaturen, Fotografien, Dokumente, Briefe, Architekturmodelle, bräunliche Jutetapete sowie eine gigantische Diashow mit Bildern der ‹Mostra della Rivoluzione Fascista›, weicht allmählich einem Bewusstseinsprozess. Beim Besichtigen der Propagandafilme des „Istituto Luce“, wird klar, welche fundamentale Rolle die Kultur und im Speziellen die Kunst und die Architektur gespielt haben beim Aufbau des Mythos des faschistischen Staates und des Duce als dessen Alleinherrscher. Die Ästhetik der Macht wurde systematisch eingetrichtert durch eine Propagandamaschine, von der sich Goebbels inspiriert hat: Kaum eine Ausstellung oder Planstadt, welche nicht vom Duce eingeweiht und medial kommuniziert wurden. Das Verhältnis der Kulturschaffenden zum Regime klärt sich erst in der hervorragenden wissenschaftlichen Publikation mit internationalen Namen: Künstler und Architekten waren relativ frei in ihrer formalen Recherche, denn anstatt einen didaktischen Realismus zu diktieren, vereinnahmte der faschistische Staat die avantgardistische Kunst und Architektur für seine Propagandazwecke. Die Kulturschaffenden mussten sich dem Regime bedingungslos unterwerfen und ihre Kreativität zu seiner Verfügung stellen. Wer sich als Antifaschist outete, wurde des Landes verwiesen, verbannt, eingekerkert oder umgebracht: mit den blutigen Bildern der anderen Seite der Medaille entlässt uns die Ausstellung mit mulmigem Gefühl in eine ungewisse Zukunft.



18.2.-25.6.2018

Fondazione Prada Milano


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Kunstbulletin 5/2018

Pdf Kunstbulletin 5/2018

Ausstellungsansicht, Post Zang Tumb Tuuum. Art Life Politics: Italia 1918-1943 (Foto: Delfino Sisto Legnani and Marco Cappelletti), Fondazione Prada, Milano, Courtesy Fondazione Prada
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