Robert Indiana
Jedes Kind kennt seine rot gegen den Himmel schreiende Skulptur „LOVE“ mit dem 45 Grad abgedrehten „O“, welche für den Künstler völlig unerwartet zur Pop-Ikone der Hippy-Bewegung wurde. Aber nicht jeder kennt das malerische und skulpturale Gesamtwerk von Robert Indiana, welches nun in seiner ersten Schweizer Retrospektive in der Casa Rusca in Locarno zu sehen ist.
Der als Robert Earl Clark geborene Indiana, der den Namen seines Geburtsstaates annahm, ist ein Nomade und ein Grenzgänger in seinem Leben und in seiner Kunst. Schon als Kind war der Sohn eines Lastwagenfahrers und eines Zimmermädchens ständig unterwegs: Die Familie wechselte in 17 Jahren 21 Mal ihre Wohnung. Jeder dieser Wohnsitze erhielt von ihm eine Nummer zugeteilt, woraus sich sein Interesse für Zahlen entwickelte. Aus der Welt der Trucks entlehnte der amerikanische Künstler die knalligen Farben, aus der Ästhetik der Strassentafeln bildete sich die grafische Gestaltung seiner Malereien. Indiana hat sich zwar zeitlebens gegen die Bezeichnung „Pop-Artist“ gewehrt, obwohl er den Gestaltungsstil des Schilderwaldes in seinen Ölbildern nobilitiert hat wie die Pop-Artisten das Phänomen der Massenwerbung. Nach eigener Aussage möchte Indiana Maler für die Leute und gleichzeitig für die Maler sein. Seine Arbeiten bewegen sich zwischen Grafik und Malerei, zwischen Pop-Art und Minimalismus, zwischen figürlicher Kunst und Abstraktion. Indianas Bilder sind streng durchkomponiert wie in der konkreten Kunst oder im Neoplastizismus. Im Unterschied zur Pop-Art oder der abstrakten Kunst gibt es kein Werk von Indiana ohne Botschaft. Die einsilbigen Nummern oder Wörter wachsen zu bunten Körpern und nehmen den gesamten Raum ein. Die Begriffe bezeichnen alltägliche Verrichtungen wie „DIE“, „EAT“, „ERR“, „HUG“, „LOVE“. Indiana bezieht auch klar politisch Position, beispielsweise gegen Homophobie oder Diskriminierung der „Native Americans“ und 2008 hat er seine Arbeit ‹HOPE› für die Wahlkampagne von Barak Obama zur Verfügung gestellt. Wie kaum ein Anderer verkörpert Robert Indiana den von ihm selbst in einem Werk zelebrierten „American Dream“: als junger Künstler hielt er sich als Kirchendiener über Wasser und malte mit Gips auf die zersägte Trennwand seines Ateliers. Sein grösster Traum, mit Öl auf Leinwand zu malen, sollte sich in Windeseile verwirklichen.