Utopia for Sale?

Der Preis steigt in schwindelerregende Höhen, bevor der Hammer des Auktionators laut aufprallt. Amie Siegels Kamera in ‹Provenance› schiebt sich seitlich durch die Innenräume. In jedem Bild tauchen Sessel mit massiven Holzbeinen auf. Und warum nach New York Indien?

Dann geht uns ein Licht auf: Le Corbusier, Chadigarh. Ein Stuhl geht um die Welt. Von der Gesellschaftsutopie zum Spekulationsobjekt mit fünfstelligem Preis. Das Stillleben läutet das Thema ein: Die gesellschaftlichen Ideale werden global verhökert, und die einzige überlebende Utopie ist jene des Geldscheffelns. So platt die Terminologien des neuen künstlerischen Direktors des Maxxi in Rom, Hou Hanru, klingen mögen - «kolonialistische Ausbeutung der Arbeiterklasse» und «das System von innen umdrehen» -, so ausgeklügelt sind die Strategien der Kunstschaffenden. Allan Sekula sucht im «vergessenen Raum» des Meeres Einzelschicksale des Welthandels. Li Liao arbeitete 45 Tage in der iPad-Fabrik und kann sich mit dem Lohn knapp ein Gerät erstehen. Cao Fai fordert Osram-Fabrikarbeiter auf zum Tanz und Adelita Husni-Bez protestiert mit den Treesitteraktivisten in Baumhütten gegen die Rodung. Mit Hanru soll das Maxxi von Zaha Hadid zur Agora mutieren, in der das Los der Gemeinschaft öffentlich neu verhandelt wird.

Barbara Fässler



2014
Maxxi Rome curator Hou Hanru


Published in
Kunstbulletin 5/2014

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