Fondation Marguerite Arp

Nach anhaltendem Marsch unter sengender Sonne stehe ich vor einer unscheinbaren Türe und läute nach kurzem Zögern: zwischen Rebbergen und Wald liegt die Fondazione Marguerite Arp in Locarno Solduno hinter einer Mauer versteckt.

Bald sitze ich mit der Kuratorin Simona Martinoli auf den Original Barcelona-Sesseln von Mies van der Rohe im Wohnzimmer der Arps und wir reden lange über ihr bewegtes und vernetztes Leben, welches vollumfänglich der Kunst gewidmet war. Marguerite Hagenbach war Hans und Sophie Täuber Arps Freundin und Sammlerin. Sie rettete Arp aus seiner tiefen Lebenskrise nach dem plötzlichen Tod von Sophie Taeuber Arp und wurde schliesslich seine zweite Frau. 1988, 22 Jahre nach Arps Tod, gründete Marguerite die Stiftung, welche heute nach ihr benannt in ihrem Anwesen im Tessin zu besichtigen ist. Simona führt mich durch das ehemalige Wohnhaus, welches eine öffentlich zugängliche Bibliothek mit 7000 teils seltenen Exemplaren, das Archiv des Ehepaars Arp-Hagenbach und Büros im ehemaligen Arp-Atelier enthält. In früheren Jahren wurden Kunstschaffende in einer Residenz im Nebenhaus beherbergt, heute wird die Stiftung eher von internationalen Forscherinnen und Kuratorinnen besucht, welche recherchieren und sich mit den Werken von Sophie Taeuber, Hans Arp oder mit der Sammlung von Marguerite Arp auseinandersetzen.
Nach unserem Rundgang verlassen wir die Villa und durchstreifen den sorgfältig gepflegten, etwas verwunschenen Garten zwischen Palmen, Glyzinien und einer Traubenpergola. Die Skulpturen von Hans Arp sowie ein Mühlstein säumen den Weg, bis sich vor unseren Augen ein grauer Kubus wie ein ausserirdischer Monolith materialisiert. Das 2015 eröffnete Privatmuseum, entworfen von den Zürcher Architekten Gigon-Guyer, verwirklicht postum einen alten Traum von Marguerite, endlich eine feste Bleibe für ihre Sammlung der Moderne zu schaffen und diese in regelmässigen Wechselausstellungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Derzeit sind im quadratischen Ausstellungsraum Werke von Sophie Taeuber Arp aus der Sammlung zu sehen, just bevor 2020 eine Retrospektive im Moma New York stattfinden wird, welche später in der Tate Modern London und im Basler Kunstmuseum auf Tour gehen wird. Die meist kleinformatigen geometrischen Arbeiten, gestickt oder gemalt, wecken derzeit international ein grosses Forschungsinteresse und bringen eindrücklich Taeuber-Arps spielerischen und avantgardistischen Umgang mit Formen und Farben zum Ausdruck. Ihre konzentrierte, entwicklungsfähige Arbeit zeugt von enormer Freiheit und hat einen festen Platz in der Kunstgeschichte mehr als verdient.



21.4.-27.10.2019

Fondation Marguerite Arp, Locarno


Published in
Kunstbulletin 10/2019

Sophie Taeuber-Arp, Six espaces avec croix, 1932, Gouache auf Papier
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Sophie Taeuber-Arp, Six espaces avec croix, 1932, Gouache auf Papier

Museumsneubau, 2015, Gigon-Guyer, Fondation Marguerite Arp, Locarno
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Museumsneubau, 2015, Gigon-Guyer, Fondation Marguerite Arp, Locarno