Terre
Was motiviert eine Ausstellung zum Thema ‹Erde» in dieser existentiell und global verunsichernden Zeit der Gefahren von Pandemie und Klimawandel?
Geht es darum, den Fokus auf die Erde zu richten, um ihr und somit unser Leben zu retten? Ist sowohl der Planet als auch die Materie, aus der er geschaffen ist, gemeint? Drücken die Erdfarben in ihrer unaufdringlichen und nie grellen Erscheinungsweise eine Art von Tristesse aus? Keine Auffälligkeiten, keine Ausgelassenheit, sondern Rückzug und Distanz? Soll die Widersprüchlichkeit des Erdbegriffs thematisiert werden? Mutter Erde, Ursprung allen Lebens einerseits, Blut und Boden Ideologie, Tod und Zerstörung andererseits? Oder handelt es sich um die Rückbesinnung auf die Urmaterialien der Kunst? Die ersten Pigmente wurden aus der Erde gewonnen: Ocker gelb und rot, Siena rot, Umbra grünlich dunkel, Terra di Siena gebrannt und natur.
Im Spazio-01 des LAC Lugano, dem Schaulager der Sammlung Olgiati, aus der halbjährlich eine thematische Auswahl gezeigt wird, hat Danna Olgiati 22 mit Erdfarben geschaffene Werke inszeniert. Fünf abstrakte Erdgemälde des dalmatischen Künstlers Zoran Mušiç bilden den Ausgangspunkt. In der Arbeit ‹Terre dalmate› von 1959 überschwemmen dunkel- und rotbraune Punkte ein mit breiten Achsen durchfurchtes Feld. Die Materialkunst der 50-er Jahre – wie beispielsweise jene von Burri oder Tapies, welche ebenfalls vertreten sind, – wird dem Informel zugeordnet. Diese Kunstrichtung der Nachkriegszeit gelangt nicht zufällig zu ihrer radikalen Gegenstandslosigkeit: sie weigert sich, eine von Gräueltaten geschundene und zerstörte Welt darzustellen. Die Schrecken der Nazizeit, des Krieges, des Holocaust übersteigen das menschliche Vorstellungsvermögen und entziehen sich jeglicher Darstellungsmöglichkeit. Zoran Mušiç ist Überlebender des Konzentrationslagers Dachau, wo er im Versteckten die Leichenberge um sich skizziert hat. Der Künstler hat das Verdikt Adornos – Poesie nach Auschwitz ist barbarisch – am eigenen Leib erfahren und den Weg von der figürlichen Darstellung zu ihrer Verweigerung in der Gegenstandslosigkeit in seinem Werk durchschritten. Auch in Alberto Burris ‹Bianco nero cretto› ist ein in Schwarz und Weiss aufgeteiltes Feld in feine Risse zerborsten, bei Antoni Tapies entsteht durch die Materialaufhäufung eine schwere Topografie und Anselm Kiefers ‹Eridanus› aus dem Jahr 2004, drückt die verbrannte Erde unbarmherzig aus. Allein in Max Ernsts Relief kuscheln sich «zwei Vögelchen› zärtlich aneinander: 1926 war die Hoffnung noch intakt.