Thomas Struth, Nature & Politics
Mit einem präzis platzierten Dreiklang im Eingangsbereich leitet Urs Stahel, der Kurator der Fondazione MAST – Manufaktur für Kunst, Experiment und Technologie in Bologna – die aktuelle Ausstellung
Eine Felsen umspülende, aufgebrachte See, bei bewölktem Himmel, mit leicht unter der Bildmitte verlaufender Horizontlinie stellt die ungestörte Macht der Natur dar. Eine Betondecke auf Betonsäulen, in antiken Ruinen verankert demonstriert wie die Kultur der Gegenwart auf den Errungenschaften der Antike gründet. Ein surreal metallisch leuchtender, in der Mittelachse zusammengezogener Zylinder hebt die unbeabsichtigte Schönheit der Apparate technologischer Innovation und naturwissenschaftlicher Forschung hervor. Seit seiner Südkoreareise 2007 widmet sich der Becherschüler der „Düsseldorfer Schule“ der Ästhetik von Nuklearanlagen, Raum- oder Technologieforschungszentren, Operationssälen oder Schiffskonstruktionsplattformen. Orte, welche dem nicht involvierten und nicht spezialisierten Publikum verschlossen sind und deren innere Geheimnisse auch bei Betrachtung ihrer Abbildungen unmöglich gelüftet werden können. Insofern ist es nur konsequent, dass Thomas Struth sich weigert, Bildlegenden anzubringen in der Ausstellung. Auch wenn wir noch wissen, wie das abgebildete Forschungsinstitut heisst und wo es sich befindet und wenn wir den Namen auch noch in Google eintippen, werden wir von deren hochkomplexen Inhalten chancenlos und erbarmungslos ausgeschlossen bleiben. Struth, der in jungen Jahren bei Gerhard Richter Malerei studiert hat, konzentriert sich denn auch in den meisten Aufnahmen mit chirurgischer Genauigkeit auf das kompositorische und farbliche Gleichgewicht. So ähnelt der von unten aufgenommene Satellit „Grace-Follow-On“ einem konstruktivistischen Bild. Das gelbe Rechteck wird von weissen horizontalen und vertikalen Linien durchschnitten und deren symmetrische Geometrie wird im Zentrum von einer Schräglinie aus der Achse gehoben. Die Destillationssäule von Gladbeck hingegen erinnert an Mondrian mit seinen ausgeprägten Vertikalen und Horizontalen und der Reduktion auf die Primärfarben rot, gelb und blau. Struth nimmt uns mit auf eine Entdeckungsreise in unerwartet komplexe Konstellationen einer komplett unbekannten und rätselhaften Welt der Zukunft.