We Hybrids
Der Mensch wird nicht nur geformt und transformiert von seiner Umwelt, seinen Erfahrungen und Begegnungen, sondern er vermengt sich mit den Substanzen, den Viren und der Technik, mit denen er in Kontakt tritt. Der Mensch ist ein hybrides Wesen, in steter Verwandlung: Dies wussten schon die Menschen in der Antike, als sie sich die Sphinx mit Menschenkopf auf Löwenkörper oder den Faun mit Menschenoberkörper auf Ziegenbeinen vorstellten.
Die heutigen Mischwesen haben die Collageform der Antike überwunden, sind gentechnisch oder computermanipulierte Spezies, mit implantierten Mikrochips oder vollgepumpt mit synthetischen hormon- und psychoaktiven Stoffen. Von aussen sieht man ihnen kaum etwas an. Menschen wie du und ich. Wenn sich beispielsweise Gabriele Garavaglia an der Vernissage unter die Gäste mischt, wirkt er ganz unauffällig. Doch plötzlich fällt unser Blick auf seinen von dicken Venen überzogenen leicht gelblich wirkenden Arm mit merkwürdig aufgeplatzten, unförmigen, rosa Löchern, ‹Inner Resistance›. Ein grauenhafter Anblick. Die herunterhängenden Latexhäute, ‹Vertèbres›, von Vanessa Billy scheinen organische Zeugen eines verblichenen Mischwesens und ihre grossen, tropfenähnlichen, extrem fragilen Glasobjekte, ‹Prises de Conscience›, liegen losgelöst vom Körper auf dem Boden herum. Die präzis positionierten und höchst ästhetischen Objekte von Florian Germann wirken wie Maschinen mit nicht nachvollziehbarer Funktion, deren Materialien – subtil eingefärbtes Harz, Metall und Beton – eine mysteriöse Energie und Aura ausstrahlen. Der Werkkomplex ‹TAFAA› (Toward a Fully Automated Appearance) von Chloé Delarue besteht aus hybriden Assemblagen aus organischen und anorganischen Materialien und setzt sich mit dem Einfluss der Technologie auf den menschlichen Körper und Geist auseinander. Pamela Rosenkranz wird selber zum hybriden Wesen, wenn sie ihre Malereien unter dem Powerschub von Viagra produziert. Vor den an die Wand gelehnten rosa monochromen Bildern inszeniert sie auch gleich das Plastik und die benutzten Malutensilien als Teil dieses chemisch potenzierten malerischen Kraftakts. Als besonders aktuelle Cyberposition erweist sich die Rauminstallation ‹Holobiont Society› von Dominique Koch: Sie stellt das symbiotische Gefüge zwischen Wirt, Mikroben, Bakterien und Viren dar, mit all seinem inneren Konfliktpotenzial, und konfrontiert uns mit der aktuellen Lage.